Autor anonymous
Datum 04.10.2002 11:49
Beiträge: Hallo Thea und Rita,
Hallo Zusammen,

irendwie habe ich das Gefühl, daß wir aufgrund unserer Erfahrungen, mit den nicht wegzudiskutierenden Beschwerden nicht ernst genommen zu werden, ähnliche "Überlebensstrategien" entwickelt haben. Ich selbst brauche inzwischen sehr lange, überhaupt noch zum Arzt zu gehen, wenn Beschwerden da sind (die ich selbst sehr gut definieren kann, denn an meiner eigenen Wahrnehmung habe ich keine Zweifel mehr). Das war mal anders.

Nach einem monatelangen Hin und Her im Jahr 1990 - im April kam ich damals notfallmäßig aus London in die Klinik, der Chef namens Prof. Norfried Klug (Kölner Uniklinik, Neurochirurgie) hatte damals Dienst. Er verweigerte eine Röntgenaufnahme (denn wir vermuteten, daß der damalige LP-Shunt herausgerutscht war) und versteifte sich auf das CT (es lag aber eine bekannte Ventrikelstarre vor u. war deshalb nicht aussagefähig). Dummerweise war Wochenende (Samstag). Sonntag wieder aus 170 km Entfernung Richtung Köln, da ich z.T. nichts mehr sehen konnte. Halt an jeder Raststätte, da ich vor Schmerzen nicht einmal mehr sitzen konnte. Die Rettung war mein behandelnder Oberarzt, der uns durch Zufall begegnete. Er hatte keinen Dienst, schaute nur nach einem anderem Patienten. Er leitete alles notwendige ein, Röntgenaufnahme, Doppler, Not-OP, etc. Die Werte des Doppler waren absolut lebensbedrohlich. Die Bemerkung am nächsten Tag von Prof. N. Klug - "Na, da ist das Ventil wohl doch herausgerutscht".

Doch das sollte erst der Anfang in diesem Jahr sein! Im August rutschte das Ventil erneut heraus. Das Ventil wurde wieder in den Kopf gelegt und an einen festgewachsenen Ventrikelkatheter der scheinbar frei lag angeschlossen. Doch das war ein Irrtum. Nun folgte ein ständiges Auf und Ab zwischen Hirnüber- und unterdruck (da das Ventil sehr niedrig stand und der Katheter zeitweise an der Ventrikelwand anlag und dann dicht machte; lag er frei, lief aufgrund der Einstellung zuviel ab). Wieder mischte sich der Chef in die Behandlung ein - es läge kein Hirndruckproblem vor, ich hätte lediglich ein psychosomatisches Problem - kein Fall für den Neurochirurg! Ich wurde im August nach Hause entlassen und traute mich daraufhin nicht mehr in die Klinik. Ich besorgte mir Lasix und nahm dies bei Druckspitzen völlig unkontrolliert. Ich konnte kaum noch essen, nahm in drei Monaten bis auf 43 Kilo ab. Im Oktober wieder notfallmäßig in die Klinik. Mein Oberarzt war im Urlaub. Man stopfte mich mich mit Morphium voll und lies mich liegen. An einige Dinge, die noch vor der Morphiumgabe passierten, kann ich mich aufgrund des Hirndrucks bis heute nicht mehr erinnern. Nach einigen Tag ließ der Druck nach (da der Ventrikelkatheter vorübergehend wieder frei lag). Ich wurde nach Hause entlassen.

Anfang November wieder das selbe Spiel. Diesmal bestand der Chef Prof. N. Klug auf ein psychiatrisches Gutachten. Da ich nichts mehr essen konnte (eigentlich aufgrund typischer Hirndrucksymptome wie Übelkeit, Erbrechen, etc.) meinte er, ich sei magersüchtig. Plötzlich einsetzende heftige Bauchschmerzen bekräftigten seine Meinung. Ich verweigerte aufgrund der Symptomatik aber eine angeordnete Magenspiegelung. Wenig später stellte sich heraus, daß sich Pseudocysten gebildet hatten.

Auch das Pflegepersonal und die anderen Oberärzte belächelten mich, wenn sie mein Zimmer betraten und ließen mich ganz deutlich spüren, daß sie mich für eine eingebildete Kranke hielten.

Eine Operation (die mein behandelnder Arzt offensichtlich als einziger für unumgänglich hielt, diese aber aufgrund der Weisungsgebundenheit nicht durchführen konnte) hing nun von dem - wie ich es nenne - psychiatrischem Zwangsgutachten ab. Dies wurde von Prof. Lehmkuhl ( Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie Uni Köln) erstellt. Ich habe ihm, soweit es mir aufgrund meiner gesundheitlichen Situation überhaupt noch möglich war, deutlich gesagt, daß sein Gutachten für mich über Leben und Tod entscheiden wird. Wie sein Gutachten ausfiel muß ich hier nicht mehr erwähnen.

Letztlich haben diese Verzögerungen dazu geführt, daß die Operation 9 Stunden dauerte und ich danach 5 Tage auf der Intensivstation lag und zwei Tage beatmet werden mußte. Ich habe mich nur sehr langsam von diesen Ereignissen erholt, konnte längere Zeit nicht ohne Pschopharmaka schlafen und hatte Alpträume.

Ich habe mir damals geschworen, daß wenn mir soetwas noch einmal passiert, ich lieber selbst dem ganzen ein Ende setzen werde, denn letztlich gibt es Grenzen der psychischen Belastbarkeit!

Fakt ist, daß hier viel Unfähigkeit eines weisungsbefugten Chefs, (der bis heute in Amt und Würden ist) - leider spielen die Chefs gerade in diesem Thema nicht selten eine entscheidende Rolle - bei mir Spuren hinterlassen hat, die ich ein Leben lang mit mir herumtragen werde. Nötig wäre das alles nicht gewesen - denn dieser Auswuchs hatte nichts mehr mit der eigentlichen Erkrankung zu tun!

1994 habe ich zumindest über mein Vitamin B dafür gesorgt, daß Herr Prof. Norfried Klug ein für ihn sicherlich sehr unangenehmes Interview mit einem Medizinredakteur "Der Zeit" führen mußte - mit nachfolgendem entsprechendem Artikel, der für ihn nicht so günstig ausfiel. Das war - wenn man schon politisch oder rechtlich keine Chance hat, dagegen anzukommen - meine persönliche Rache, zu der ich auch absolut stehe!

Angesichts auch Eurer Erlebnisse, denke ich aber, das hier im System etwas nicht stimmt und hier dringend Änerungsbedarf besteht!!!!!

Welche Ideen habt Ihr dazu? Ich bin es eigentlich Leid der eigenen Ohnmacht ausgeliefert zu sein, denn die Erfahrungen haben mir gezeigt, daß es auf die eine oder andere Weise immer wieder passiert!

Liebe Grüsse

Antje


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Dieser Artikel kommt von: Die Welt der Medizin und des Hydrocephalus

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