Autor anonymous
Datum 01.12.2002 16:27
Beiträge: Hallo noch einmal zusammen,

Hier noch ein paar neue Infos zum Thema Fallpauschalen:

(Der Beitrag wurde von Michael im ASbH-Gästebuch geschrieben)

"Die Verwirrung, die aus allen Beiträgen zu den DRGs zu erkennen ist, ist nicht unbegründet. Es ist Ende November und es liegt noch immer kein endgültiger Verschlüsselungskatalog (welche Erkrankung wie schwer zu bewerten ist etc.) vor. Einzig und alleine Fakt ist, dass die DRGs kommen, - und zwar politisch und von den Kassen gewollt. Ärzteschaft und Krankenhäuser sind alles andere als begeistert. Den Kassen wird ermöglicht Einzelverträge mit Ärzten oder Krankenhäusern zu machen. Wer dann bei der Kasse XXX ist, kann (schlimmstenfalls, auch das ist noch nicht ganz klar) in das Krankenhaus YYY müssen, da dieses z.B. den günstigsten Tarif für die Behandlung eines Patienten mit HC ausgehandelt hat. In wieweit das mit der freien Arztwahl kollidiert, scheint mir noch unklar. Jedenfalls fühlt man sich an einen arabischen Basar erinnert.

Zunächst kommt jetzt eine Übergangsphase: 2003 darf jedes Krankenhaus noch bestimmen wie es mit den Kassen abrechnen will (nach altem System oder nach DRG), dann soll in den Folgejahren sukzessive mehr und mehr nach DRG abgerechnet werden, bis das System 2007 komplett umgestellt ist (also beileibe kein Spuk von 2 Jahren). Tückisch sind mehrere Dinge: Erstens: als Basiswerte werden Zahlen aus diesem und dem nächsten Jahr herangezogen. Sollte ein Krankenhaus dann im Folgejahr außergewöhnlich viele Schwerkranke haben, so sind sie in der Patsche, da der jetzt ermittelte Basissatz nur in einem Bereich von ich glaube unter 0,5% pro Jahr gesteigert werden kann. Innovative Medizinprodukte, die teuer sein können, tja ... keine Ahnung. Zweitens: Damit DRG funktioniert, muß der Arzt alle Erkrankungen verschlüsseln und nicht nur die Erkrankungen, sondern auch alles was er am Patienten macht (eine Shuntimplantation wird z.B. mit ca. 3 fünf- bis sechsstelligen Ziffern verschlüsselt). Insgesamt heißt das: Immens viel mehr Bürokratie für den Arzt, und entsprechend weniger Zeit für den Patienten. (Da die DRGs kostenneutral eingeführt werden sollen, gibt's auch keine zusätzlichen Stellen, die die verlorene Zeit auffangen könnten).
.... und Drittens und das finde ich eigentlich das schlimmste: Je besser der Arzt und das Krankenhaus verschlüsselt, desto schwerer erscheint der Patient erkrankt zu sein. Beispiel: Ein Patient mit Normaldruckhydrocephalus: Gibt man nur dieses Krankheitsbild an, gibt's wenig, denkt man noch daran, dass diese Patienten wacklig auf den Beinen sind, gibt's schon ein bißchen mehr, wird dann auch noch die mögliche Gedächtnisstörung vermerkt, wird's nochmals mehr. ..... und so weiter und so weiter. Letztlich bedeutet das: je mehr Krankheitssysmptome und Krankheiten verschlüsselt werden desto besser für's Krankenhaus. Wer aber hat die Zeit all diese Codierungen für verschiedenste Erkrankungen rauszusuchen, ...... und vor allem für wen bleibt dann keine Zeit mehr.
Es zählt also weniger die Qualität der Arbeit, die im Krankenhaus geleistet wird, sondern vielmehr der Einfallsreichtum derjenigen, die verschlüsseln müssen, .... und diese Zeit geht bei der Patientenversorgung ab; oder umgekehrt: Gute Krankenhäuser, wo viele Patienten hingehen, weil sie z.B. ein Zentrum für HC oder SB sind, werden eher schlechter wegkommen, da ihnen garnicht die Zeit zum Verschlüsseln bleibt, während Krankenhäuser, die weniger frequentiert sind, genügend Zeit haben tolle Verschlüsselungen hervorzubringen und entsprechend belohnt werden. Einfach nur verrückt ...

Östereich hat beispielsweise schon seit ein paar Jahren den DRG Versuch gemacht. Ergebniss: Qualität der Medizin schlechter, Kosten gleich hoch oder gar höher, Wiedereinweisungsrate ins Krankenhaus drastisch angestiegen. Eine gelungene Sache wie man sieht ?????
In Australien, wo man sich das System ja abgeschaut hat, wird nur eine sehr begrenzte Zahl von Erkrankungen überhaupt damit abgerechnet. Der DRG Budget Bereich der Krankenhäuser dort liegt meist unter 50%. In Deutschland sind (mit Ausnahme der Psychiatrie) 100% angestrebt."

Herzliche Grüsse

Sonja


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Dieser Artikel kommt von: Die Welt der Medizin und des Hydrocephalus

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