Autor anonymous
Datum 14.09.2003 13:35
Beiträge: Hallo Ihr!
Tja, wo fange ich jetzt am besten an? Ihr habt so viele interessante Thesen in den Raum gestellt, dass es echt schwer ist.
Vielleicht erst mal zu den Arbeitszeiten: So wie Stefan den Arztberuf beschreibt habe ich ihn auch schon vom Krankenhausbett aus erlebt. Im Grunde sind solche Arbeitszeiten eine Schweinerei (vorrangig für den Arzt). Von da her begrüße ich den aktuellen Beschluss, dass Bereitschaftsdienste ab sofort als Arbeitszeit zählen sollen. Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie sich das halten soll, weil damit ja automatisch neues Personal eingestellt werden muss, das man ja auch irgendwie bezahlen muss. Jetzt gibt es also meines Erachtens 3 Möglichkeiten: 1. Die Kassenbeiträge steigen ins Unermessliche, 2. Ärzte müssen mit Gehaltskürzungen leben und 3. es gibt wegen Personalmangels endlose Wartelisten. Also, ich bin echt gespannt, wie sich der Beschluss durchsetzen soll.

Zum Umgang mit HC:
Bei mir wussten in der Grundschulzeit nur die Klassenlehrer Bescheid, was die ersten beiden Jahre dank einer äußerst positiv eingestellten Lehrkraft auch von Lehrerseite unproblematisch war. Im Gegenteil, diese Lehrkraft hat meine Mutter immer wieder ermutigt.
Am Gymnasium gab es auch keine Probleme. Dort wussten nur der Klassleiter sowie Sport-und einzelne ausgewählte Fachlehrer von meinem HC und der Halbseitenlähmung, weil ich für manche Sachen einfach länger brauche. Die Resonanz der Lehrer war durchwegs positiv. Alle waren beeindruckt, was ich erreicht habe. Mit den Klassenkameraden gab es die größeren Probleme. Im Sport war ich grundsätzlich die Letzte, die übrig blieb. Die Mädchen eussten zwar von Anfang an von meinem Handicap, da ich ja nach einem anderen Maßstab bewertet wurde. Wobei ich im Nachhinein glaube, dass dieses Wissen nicht besonders hilfreich war. Als ungünstig auf die Situation in der Klasse hat sich auch erwießen, dass ich in der Fünften meine Behinderung nicht mehr wegschieben konnte, da im Sport zu viele Schwierigkeiten auftauchten, die mir immer wieder meine Grenzen zeigten. Insofern war ich sowieso schon zusehends unsicherer, dazu kamen Ausgrenzungsaktionen meiner Mitschülerinnen, so dass ich ziemlich schnell eine Außenseiterrolle innehatte. Erst in derAchten gab es dann so etwas wie Solidarität mit mir, was hauptsächlich daran lag, dass fast die ganze Gruppe mit der damaligen Sportlehrerin ein Problem hatte. Diese Solidarität ging jedoch hauptsächlich von der Parallelklasse aus. Alles in allem haben die ersten vier Jahre Gymnasium dazu geführt, dass aus einem einst selbstbewussten Mädchen eine Person wurde, die sich fast für ihre Existenz schämte.
Inzwischen nach gut drei Jahren Therapie versuche ich, so offen wie möglich mit meinem Handicap umzugehen, wobei ich nur ausgewählten Leuten Näheres erzähle. Als ich zum Beispiel wegen langanhaltender Ventilprobleme die 13.Klasse wiederholen musste, habe ich erst mal nur gesagt, dass ich lange krank war. Kamen dann Rückfragen, bin ich näher darauf eingegangen. Da kamen dann teilweise Meinungen wie "Ich dachte immer, solche Kinder kriegen mit 2 ein Ventil eingesetzt und dann sind sie gesund." In der Jahrgangsstufe in der ich vorher war, haben sich die wenigsten dafür interessiert. Gerade mal vier Leute haben sich regelmäßig gemeldet und sich nach mir erkundigt. Drei davon sind extra mit dem Zug von Augsburg nach München gefahren, um mich im Krankenhaus zu besuchen (Jungs wohlgemerkt!). Da kam dann unter anderem die Frage, wie lebensbedrohlich das Krankheitsbild eigentlich ist - eine Frage, über die ich nie vorher nachgedacht habe, die mir aber gezeigt hat, dass es durchaus Leute gibt, die mitdenken. Also, es gab auch durchaus positive Reaktionen auf mich mit der Behinderung, die mir teilweise wieder das Vertrauen in meine Mitmenschen zurückgaben. Heute würde ich auch den Teufel tun, mich dafür zu entschuldigen, dass die Manschaft, mit der ich bspw. Volleyball spiele, verlohren hat. Immerhin gibts da noch andere, die zum Verlieren beitragen. Man muss sich wirklich nicht noch zusätzlich selbst erniedrigen.
Ich hoffe, damit ist die Frage teilweise beantwortet.

Schönen Sonntag noch!

Laura-Marleen


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Dieser Artikel kommt von: Die Welt der Medizin und des Hydrocephalus

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